von Andi Brunner

Muslimische Akademie Bahnstadt – Ausstellung der Siegerentwürfe

Der Saal des Bürgerhauses war mit Plänen und Modellen der vier
Preisträger ausgestattet, die von etwa 30 Menschen zum zweiten Mal in
der Bahnstadt bestaunt werden konnten.

Was hat der Architekt und Kunsttheoretiker Gottfried Semper mit der
Muslimischen Akademie zu tun? Das ging mir auf dem Nachhauseweg durch
den Sinn.

Für Semper lag der Ursprung der Architektur in einem stoffbehängten
bekleideten Gerüst. Das Prinzip, unter das Semper seine »praktische
Ästhetik« stellt, ist jenes der Bekleidung.  Heute spricht man von der
Fassade, die mit Ornamentik versehen ist, welche das „Gewand“ des
Gebäudes darstellt. Das „Gewand“ als Keramikfassade ist vom
Preisträger im Semperschen Sinne umgesetzt. Der Preisträger aus
Karlsruhe sah es als Herausforderung, ein Projekt auf die Beine zu
stellen, das in Europa noch kein Vorbild hat: eine Muslimische Akademie.
Um diese Einzigartigkeit als Baukunst und Bildungseinrichtung
vorzustellen, wurde das Projekt Muslimische Akademie am 24. Februar
2024 zum zweiten Male im Bürgerhaus der Bahnstadt vorgestellt. Die
Bürgermeisterin für das Dezernat Soziales, Bildung, Familie und
Chancengleichheit, Stefanie Jansen, der IBA-Projektleiter Felix
Wohlfahrt und die Geschäftsführerin der Muslimischen Akademie Yasemin
Soylu informierten. Thorsten Hupperts, zweiter Vorsitzender des
Stadtteilvereins Bahnstadt e. V. eröffnete die Veranstaltung und
begrüßte die Gäste. Moderiert hat Benedikt Widmaier, ehemaliger
Direktor der Katholischen Akademie der Diözese Mainz.

Es wurde über den Wettbewerbsprozess, die Entwürfe, die Finanzierung,
die inhaltliche Ausrichtung und den Bildungsauftrag gesprochen. Im
Anschluss gab es Raum für Gespräche und mundgerechte Häppchen. Die
Architekten Dürr und Baumann aus Karlsruhe mit Team beteiligten sich
mit großem Engagement am informellen Austausch. Dadurch inspiriert
entstand der Impuls, diesen Artikel mit dem Bekleidungsphänomen
Sempers einzuleiten.

Die Keramikfassade mit perforierter Ornamentik als „Gewand“, das
Assoziation an islamische Kunstformen weckt, erschafft helle, offene
und kommunikative Räume, das geschlossene Element bildet Rückzugsräume
aus, die Geborgenheit ausstrahlen. Somit wird das Spiel zwischen
Rückzug und Offenheit nach außen getragen und in der Fassade ablesbar.
Offenheit ist das Wahrzeichen der Muslimischen Akademie als
Bildungseinrichtung. Teilhabe, Diversität, Förderung der Demokratie
und Bildung ist das Ziel. Ein großer Veranstaltungsraum für ca. 200
Menschen, Gastronomie für alle, Unterbringung für 30 Personen, ein
Gebetsraum, eine Bibliothek und diverse Seminarräume sind geplant.
Der Entwurf wird von einigen Menschen aus dem Publikum kritisch
betrachtet, es fehle die Durchlässigkeit, jedoch sei das letzte Wort
noch nicht gesprochen, so der Moderator Benedikt Widmaier. Inwieweit
welche Anpassungen in den finalen Entwurf einfließen können, wurde
aber offengelassen. Es wird aber weiterhin am Entwurf gefeilt. Die
Finanzierung von ca. 35 Millionen Euro (Plankostenschätzung von 2022),
die durch Bund und Land finanziert werden sollen, muss stehen und
weitere Prozesse in Gang gesetzt werden, bis es zum ersten Spatenstich
kommt. Das mag noch ein paar Jahre dauern.

Das vom damaligen Publikum, das sich zum gleichen Thema im September
2023 im Bürgerhaus traf, favorisierte Modell gewann nur den 4. Platz.
Maßgeblich für die Jury des Architekturwettbewerbs waren
Nachhaltigkeitskriterien und harmonische Einbindung in den Stadtteil.
Die Muslimische Akademie mit ihrem Alleinstellungsmerkmal in
Deutschland wird die Bahnstadt um vieles bereichern können. Die Stadt
Heidelberg sieht mit großer Zuversicht diesem Projekt entgegen.
Ein großes Dankeschön an alle Mitwirkenden!

Quellen:

https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/24466/file/plurale0_arburg_kleiderbaukunst_aesthetik_mode.pdf
(24.02.2024)
Politikwissenschaftler, Direktor der Akademie für politische und
soziale Bildung der Diözese Mainz „Haus am Maiberg“, Mitarbeit in
Landes- und Bundesvorständen der politischen Bildung (DVPB, AKSB).

https://www.bahnstadtverein.de/berichte-details/items/muslimische-akademie-in-der-bahnstadt.html
(24.02.2024)

Fotos:

Andi Brunner und Thortsen Hupperts;  https://www.bdarchitekten.com

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