von Norbert Rau

Bahnstadt grüner und liberaler als andere Stadtteile!

Nach der Wahl ist vor der Wahl, behauptet ein bekannter Spruch, weshalb viele Fragen, die auf dem Bahnstadt Wahlforum gestellt und teils elegant umgangen wurden, weiterhin auf Antworten warten, findet Dr. Norbert Rau.
 
Aber zunächst zur Wahl. Dass die Wahlbeteiligung bei der Europawahl in Heidelberg im Vergleich zur Wahl 2014 um 15,4 Prozentpunkte auf 70,1 Prozent angestiegen ist, ist ein erfreuliches Ergebnis der unermüdlichen Aufforderungen aller am Fortbestand der EU Interessierten: „Geht wählen!“ Auch der Stadtteilverein hat mit seiner Plakataktion dazu beigetragen.
 
Bei der Heidelberger Kommunalwahl lag die Beteiligung bei 64,9%, ebenfalls erheblich höher als bei der letzten.
 
In der Bahnstadt lag die Wahlbetei­ligung demnach mit 68,4% über dem Heidel­ber­ger Durchschnitt, aber teils erheblich hinter Neuenheim (73,6%), Schlier­bach (72,2%), Südstadt (71,2%), Hand­schuhs­heim (70,9%) und West­stadt (70,0%).
 
Das Wahlergebnis zeigt ein sehr interessantes Bild von Maximal- und Minimalpräferenzen im Vergleich zu den anderen Heidelberger Stadtteilen. Dass die Grünen mit 39,84% in unserem Stadtteil die meisten Stimmen erhalten haben, und zwar sehr deutlich, überrascht angesichts der Bevölkerungsstruktur nicht, ebensowenig, dass die Linke (3,34%), die AfD (2,75%), die Bunte Linke (1,27%) und die Freie Wählervereinigung (0,82%) hier jeweils weniger als in jedem anderen Heidelberger Stadtteil gewählt wurden, die FDP mit 10,04% hingegen mehr als anderswo. Grüne und FDP, ökologisch und liberal - ein Merkmal der Bahnstadt, ein Trend der jungen Generation? Vielleicht, und auf jeden Fall beachtenswert. Merket auf!
 
Unser bescheidenes, wenn auch sehr gut besuchtes Wahlforum am 13. Mai hat mit diesem Ergebnis  eher weniger zu tun. Aber hier ging es ja auch v.a. um Themen, die die Bahnstadt betreffen. Die zuvor online oder am Forumsabend schriftlich eingereichten Fragen gingen zum Teil direkt an die Kandidaten, moderiert von Dr. Micha Hörnle von der RNZ. Die Antworten hierauf reichten von Allgemeinplätzen über willkürliche Anpassungen der Frageninhalte an die jeweiligen Parteiprogramme, die die Kandidaten loszuwerden gedachten, bis hin zu sachlich fundierten Aussagen. Immerhin stürzte bei einem starken Argument die hinter den Kandidaten aufgehängte Europaflagge ab, was einige ebenso für eine Inszenierung hielten, wie die Tatsache, dass sie (wohl versehentlich) verkehrt herum hing.
 
Viele sprachen die angespannte Verkehrssituation in der Bahnstadt und die Umkehrung des autoarmen Konzepts an. Wann gibt es endlich eine Regelung für den Langen Anger? Gibt es eine Planung hinsichtlich weitere E-Zapfstellen? Wann kommt ein Fahrradschnellweg? Ist die mittlerweile „lebensgefährliche“ Kombination von Rad- und Fußgängerweg, bei der letzterer immer mehr zu ersterem wird, noch länger zu verantworten? Die Antworten auf diese Fragen fielen eher unverbindlich bis ratlos aus.
 
Greifbarer waren die Antworten auf Fragen, die an alle Kandidaten gingen, und die diese per Farbkarte mit Ja, Nein, oder Vielleicht beantworten konnten. Ob die überwiegenden Ja-Antworten auf die Frage, ob die Kandidaten selbst gern in der Bahnstadt leben würden, aufrichtig waren, darf angesichts ihres programmatischen Eifers in Frage gestellt werden. Die überwiegende, sogar  bis 100%ige Zustimmung auf die Fragen, ob Fehler gemacht wurden, ob zu schnell gebaut wurde, ob die Wohnungen zu teuer sind und ob das Zulassen der TK-Monopolsituation falsch war, wurde als wohltuend solidarisch empfunden. Ob die Bahnstadt als Vorbild dienen kann? Hier schieden sich die Geister 50 zu 50. Dass die ursprünglich als Ausweichflächen für Erweiterung der aus allen Nähten platzenden Grundschule jetzt verkauft wurden, wollten dem Anschein nach alle verhindern - erfolglos, wie man am Ergebnis sieht.
 
Gelacht haben alle, als es um die Neiddebatte („Die Bahnstädter bekommen alles…“) ging und der Vertreter einer Partei, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt, die Diskussion so beendete: „Im Pfaffengrund gab es auch mal ganz neue Straßen. Dass diese jetzt Schlaglöcher haben, heißt noch lange nicht, dass in der Bahnstadt gleich Schlaglöcher in die neuen Straßen eingebaut werden sollten, damit niemand neidisch ist.“ (nr)

 

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